Geliebt und gefürchtet war der langjährige UHER-Geschäftsführer Wolf Freiherr von Hornstein, ein Hüne von Mann mit einer unverwechselbaren sonoren, leicht lispelnden, sehr distinguiert klingenden Stimme. Seine beruflichen Erfolge werden anderweitig gewürdigt; hier ein paar Erinnerungssplitter an den Menschen.
Eine kleine humoristische Episode: Der Weg der Damen der "UHER-Hautevolee" zur Kantine führte durch die Fertigung. Diesen Damen haben jüngere Mitarbeiter immer mal wieder einen Streich gespielt. Beispielsweise wurde einmal direkt am Durchgang versteckt ein Lautsprecher angebracht; das zugehörige Mikrofon befand sich an einem entfernten Arbeitsplatz. Die "Zähne" staunten nicht schlecht, als ihnen plötzlich ein "Na, Süße?" entgegentönte, aber niemand in der Nähe war. Ein anderes Mal – ich hätte solche Streiche ja unterbinden müssen, aber können vor Lachen – wurde mit Sekundenkleber ein Fünfzigpfenningstück auf den Boden des Durchgangs geklebt. Die Türe öffnete sich, aber statt des "Bienenschwarms" trat – Baron Hornstein ein! Der im doppelten Sinne höchste Chef bückte sich, merkte den Streich, lächelte und ging weiter. Währenddessen verschwanden irgendwo ein paar rote Köpfe blitzschnell in der Versenkung.
Ansonsten war der "Herr Baron", wie wir ihn nannten, nicht häufig in der Fertigung zu sehen. Er konnte mit den Leistungen seiner Mitarbeiter zufrieden sein. Hin und wieder führte er prominente Gäste persönlich stolz durch die Produktion. Seinen Dank für die geleistete Arbeit drückte er beispielsweise bei Weihnachtsfeiern in großen Sälen mit Max Greger oder Hugo Strasser aus. (Einmal prophezeite ich allen Kolleginnen und Kollegen, ob sie es wissen wollten oder nicht, dass ich einen Hauptpreis der Tombola, ein UHER Report 4000-L gewinnen würde. Zu meiner Verblüffung traf das tatsächlich ein.)
Das stattliche Weihnachtsgeld überreichte der Baron jedem Mitarbeiter jeweils persönlich feierlich und mit Handschlag.
Udo Peters, von 1967 bis 1968 bei UHER beschäftigt, entdeckte 2011 meine UHER-Erinnerungen und schilderte mir eine typische Begebenheit aus der Weihnachtszeit mit Baron Hornstein:
Wir hatten in unserer Abteilung 1967 eine kleine Weihnachtsfeier. Alle
Abteilungen durften feiern. Da ich in der Nähe wohnte, lief ich schnell nach
Hause und holte meine Gitarre und einen alten Notenständer, auf dem ich mit
Tesafilm ein altes kleines Tonbandmikrofon befestigte, sowie einen kleinen
Verstärker. Schon damals war Musik für mich ein tolles Hobby. Ich sang ein paar
Lieder, und in unserer Abteilung wurde es immer voller. Kollegen von nebenan
kamen und hörten zu.
Plötzlich öffnete sich die Tür und Baron von Hornstein stand bei uns. Er
lauschte ein paar Minuten, packte mich dann an den Schultern und fragte mich,
was für ein Mikrofon das sei. Ich antwortete, ich hätte kein anderes. Da hob der
Chef seinen Kopf und sprach laut zu den Kollegen: "Was dieser junge Mann hier
macht, finde ich großartig". Zu mir sagte er: "Wenn die Arbeit wieder beginnt,
gehen Sie zu Herrn X (den Namen habe ich vergessen) und holen sich ein Mikrofon
ab." Dann wünschte er uns allen ein frohes Fest und ging in die anderen
Abteilungen.
Etwas aufgeregt begab ich mich später auf das Zimmer zum genannten Herrn. Der
lächelte mich an und gab mir ein ganz tolles Sennheiser-Gesangsmikrofon. Ich
bekam noch einen Termin beim Chef und durfte mich persönlich bei ihm bedanken.
Er sagte zu mir: "Machen Sie weiter so, ich wünsche Ihnen viel Erfolg mit Ihrer
Musik."
Noch nach 44 Jahren erinnert er sich gerne daran.
Wie geschrieben, war der Baron nicht nur geliebt, sondern auch gefürchtet. Seine Stimme konnte nicht nur aristokratisch, sondern auch sehr energisch klingen. Meinem langjährig unmittelbaren Vorgesetzten habe er einmal an den Kopf geworfen: "Herr L., Sie sind ein technischer Dummkopf." Wäre das ganz ernst gemeint gewesen, wäre der kaum 20 Jahre lang in den Diensten von UHER gestanden. Und mein Chef hatte so viel Selbstironie, immer mal wieder – mit seinem breiten Sächsisch den Tonfall wenig treffend – den Baron mit dieser wenig schmeichelhaften Beurteilung zu zitieren.
Wollte man wissen, ob Baron Hornstein im Hause war, genügte ein Blick neben den Haupteingang. Was die gehisste Fahne an Königsschlössern, war dort der geparkte Maserati des Barons.
Und, und. Baron Hornstein war einfach UHER.
Auf dem UHER-Stand der Internationalen Funkausstellung 1967 wurden kleine Tonbandspulen an die Besucher verschenkt, auf denen insbesondere der Baron sprach:
Bitte klicken Sie aufs Bild oder
hier, um die Wiedergabe (MP3) zu starten.
Hinweis: Dem Tonband ist nur das Inhaltsverzeichnis, kein
weiterer Text beigefügt oder aufgedruckt.
Ein ganz besonderer UHER-Fan ist hier zu sehen, Baron Hornsteins damals 5-jähriger Sohn:
Florian Freiherr von Hornstein ist heute selbst als Geschäftsführer in München tätig. (Vielen Dank für beigesteuerte Fotos!)
Die Ära Hornstein und die "analoge" Zeit von UHER waren längst Vergangenheit, als UHER-Fan Peter Remmers sich auf der Suche nach Informationen über die Firma, möglichst ein Firmenporträt, an den damals schon 84-jährigen Baron Hornstein wandte. Dieser antwortete auch, konnte aber nicht weiterhelfen. Was es nicht gab, schrieb Remmers zusammen mit Andreas Flader, den er später kennen lernte, selbst: das Buch Die Geschichte der UHER-Werke München. Hier die beiden Briefe (Anklicken vergrößert in neuem Fenster auf Originalformat):
Wolf Freiherr von Hornstein wurde am 3. Februar 1918 in Eferding (Oberösterreich) (Lage in Google Maps, Artikel in Wikipedia) geboren; er starb am 9. Juni 2004 in Aufkirchen (Google Maps, Wikipedia) beim Starnberger See. Im Frühjahr 2011 habe ich seine dortige letzte Ruhestätte besucht. (Heinz Rühmanns Grab ist das mit dem horizontalen gelben Blumenstreifen hinten rechts.)